ANZIEHENDE GEGENSÄTZE

Landkreis Donau-Ries – der Bindestrich zwischen Donau und Ries verbindet recht Gegensätzliches. Diese Gegensätze – in der Bandbreite vom Wasserreichtum im großen Strom bis hin zu den Trockenrasen und Wacholderheiden im kargem Karst auf dem Kraterrand des Rieses – trägt diese Region also schon im Namen.

Viel Wasser: Wörnitzmündung in die Donau in Donauwörth / Martin Kluger /

Das gilt dann natürlich auch für das Ferienland Donau-Ries, wie sich die Gegend zwischen nördlichstem Lechtal, südlichstem Mittelfranken, östlichster Ostalb und westlichstem Altmühltal im Tourismusmarketing zu bezeichnen beliebt. Ein Ausflugstipp? Ein Ausflugstipp! Das liegt zum Ersten an der Unterschiedlichkeit der Landschaften, zum Zweiten an einer doch sehr außergewöhnlichen Dichte und Fülle an Sehenswertem und Erlebnissen: etwa eine von den Konflikten, Zufällen und Brüchen der deutschen Geschichte geprägten Städtelandschaft. Kaum ein Dorf ohne irgendeine Sehenswürdigkeit. Man entdeckt hier von Steinzeitmenschen bewohnte Höhlen, Bodendenkmäler der Kelten und Mauerreste der Römer, schaurig-schöne Burgruinen, barocke Schlösser und Klöster. Und wenn wo auf den ersten Blick sonst gar nichts mehr zu sein scheint, überrascht dann doch eine Dorfkirche mit uralten gotischen Fresken, oder es liegt ein Geotop des Geoparks Ries ums Eck. Fünf Stationen der Romantischen Straße – Wallerstein und Nördlingen, Harburg, Donauwörth und Rain – reihen sich im Ferienland Donau-Ries aneinander. Ritter, Reichsstädter, Reformatoren, Habsburger und Wittelsbacher und nicht zuletzt auch etliche jüdische Gemeinden haben hier ihre Spuren hinterlassen. Spazierengehen, wandern und radfahren kann man praktisch überall. Es ist also eine Gegend, die in Zeiten der Corona-Pandemie vieles von dem hat, was den „Urlaub daheim“ buchstäblich nahe liegend macht.

An den beiden ehemaligen Reichsstädten Donauwörth und Nördlingen lässt sich der Gegensatz von trocken und nass gut festmachen: Wer in Donauwörth die zwischen der Wörnitzmündung und dem Alten Donauhafen gelegene Donaubrücke überquert, hat dort schon einen ordentlich breiten Strom vor Augen. Wer dagegen den „Daniel“ – den Kirchturm der Nördlinger St.-Georgs-Kirche – besteigt, genießt vermutlich etwas atemlos eine atemberaubende Aussicht: Man schaut von dort aus bis zu den Rändern des Rieskraters, wo sich nur wenige Kilometer nördlich von Donauwörth ein völlig anderes, von Trockenrasen, kargen Wacholderheiden und zerklüfteten Kalkfelsen geprägtes Landschaftsbild zeigt. Die kleine Eger ist im Riesbecken schon ein wichtiger Fluss, die bis heute in zahllosen Schleifen träge vor sich hin mäandrierende Wörnitz sowieso. Sehr viel größer können landschaftliche Gegensätze auf so engem Raum kaum sein.

 

Bopfingen war bayerisch, bevor es zum Königreich Württemberg kam.

 

Genau diese Gegensätze und die damit verbundene Vielfalt an Natur, Kultur und Geschichte machen das Ferienland Donau-Ries quasi zu einer Art „Wünsch dir was“: Man stößt hier nämlich nicht nur auf landschaftliche Gegensätze wie den weiten Rieskrater und das enge Kesseltal, sondern auch auf einen thematischen Reichtum, der weit und breit ziemlich einmalig sein dürfte. In dieser Region entdeckt man die Spuren der Vorgeschichte: Die Ofnethöhlen bei Holheim und die „Hansele Hol“ unweit von Bissingen erinnern an früheste Rieser – an die „Fred Feuersteins“ des Ferienlands. Nur waren die wohl nicht ganz so nett wie die bekannte Comicfigur aus dem Steinzeitalter. Bei der „Hansele Hol“ fanden sich auch Spuren, die auf Kannibalismus hinweisen. Fühlten sich die ersten Rieser eher in Höhlen im Kraterrand wohl, präferierten spätere prähistorische Nachfolger die Höhenlagen: Auf dem Gipfel des Ipf – hoch über Bopfingen – befand sich ein keltischer Fürstensitz, an den heute eine „Keltenwelt“ erinnert. Diese Stadt ist aus bayerischer Sicht quasi schon „Ausland“, denn sie liegt heute im benachbarten Bundesland Baden-Württemberg. Noch so ein Gegensatz im Ferienland Donau-Ries. Denn 1802 kam die einstige Reichsstadt Bopfingen zwar zunächst zu Bayern, doch schon 1810 wurde sie dem Königreich Württemberg zugeschlagen. Napoleon war auch daran schuld, und auf historische Gegebenheiten hat man auch beim großen Gebietsschacher auf dem Wiener Kongress wenig Rücksicht genommen. Mit dem Ferienland Donau-Ries wächst also wieder zusammen, was zusammengehört.

Es ist „Geschichte satt“, die das heutige Ferienland üppigst mit Sehenswürdigkeiten aus der Antike, dem Mittelalter und der Frühen Neuzeit ausgestattet hat. Römer, Ritter, Renaissancefürsten und die Reformation haben der Landschaft den Stempel aufgedrückt: Dem Ries gab die römische Provinz Rätien sogar den Namen. Fundamente römischer Gutshöfe bei Holheim und in Großsorheim erinnern daran, dass das fruchtbare Ries Roms Kornkammer unweit des Limes war. In die Zeit der Ritter versetzt ein Besuch der Zisterzienserklosterkirche Mariä Himmelfahrt in Kaisheim. Vor dem Gitter im Mittelschiff der Klosterkirche sieht man das Hochgrab mit der farbig gefassten Liegefigur des 1142 verstorbenen Klostergründers Graf Heinrich von Lechsgemünd. Ein späterer dieser einst mächtigen Grafen von Lechsgemünd und Graisbach hat das Kloster Niederschönenfeld im Lechtal bei Rain gestiftet. Die Burgruine in Graisbach nahe Marxheim war eine ihrer namensgebenden Stammburgen. Sogar die Harburg soll einst im Besitz der Grafen von Graisbach und Lechsgemünd gewesen sein.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 75