NACHHALTIG ORIENTIERT

Kloster Irsee steht für den Ausgleich von ökologischen, ökonomischen und kulturellen Belangen

Das Atelier bietet nicht nur Tagungsgästen, sondern auch Künstlerinnen und Künstlern viele Freiräume. / Achim Bunz /

Denkmalschutz und Nachhaltigkeit, passt das zusammen? Sehr gut sogar, meint man in Kloster Irsee, dem Tagungs-, Bildungs- und Kulturzentrum des Bezirks Schwaben. Entgegen vielfach kolportierter Einschätzungen, dass Denkmale dem technischen Fortschritt im Weg stünden, energetisch problematisch und unter ökologisch-wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht händelbar seien, muss daran erinnert werden, dass gesamtwirtschaftlich den Bau- und Abbruchabfällen eine Schlüsselrolle zukommt. Einschließlich Straßenaufbruch machten sie 2019 mit 55,4% den Großteil des Brutto-Abfallaufkommens in der Bundesrepublik aus. Wie sehr Denkmalschutz zu Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung beizutragen vermag, wie dies intensiviert und ausgebaut werden kann, das machte nicht zuletzt die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit ihrem Schwerpunktthema 2020 „Denkmalschutz – Ein Synonym für Nachhaltigkeit“ deutlich. In Kloster Irsee hat man damit Erfahrung.

 

Einzelverbraucher können kurzfristig vom Netz genommen werden

 

Bereits im Zuge der vom Bezirk Schwaben mit über 20 Mio. DM geförderten denkmalpflegerischen Generalsanierung vor der Eröffnung des Schwäbischen Bildungszentrums im Sommer 1981 erhielt das Haus eine Wärmepumpenanlage, die das Wasser des nahegelegenen Irseer Bachs und ein Bodenregister unter dem Parkplatz zur Wärmegewinnung nutzte. Da die damalige Technik aber noch nicht ausgereift war und die vier großen Kompressoren erhebliche Störgeräusche im Seminarbetrieb verursachten, wurde die Anlage 1999 stillgelegt. Zugleich belastete der immer weiter steigende Strompreis die Wirtschaftlichkeit des Hauses, sodass man eine moderne Energieoptimierung und Steuerungsanlage einbaute. Diese wurde seit dem Jahr 2000 mehrfach erweitert und den technischen Entwicklungen angepasst. Sie erlaubt es, stromfressende Einzelverbraucher – wie Sauna- oder Dachrinnenheizungen, sogar elektrische Badheizungen in Gästezimmern oder Großverbraucher in der Hotelküche – für kurze Zeit vom Netz zu nehmen, um Spitzenlasten zu reduzieren.

Das 2009 von der Bundesregierung verabschiedete „Konjunkturpaket II“ bot weitere Möglichkeiten, wobei in Kloster Irsee die energetische Sanierung der historischen Dachstühle zum Tragen kam, ebenso wie der Anschluss an ein lokales Nahwärmenetz. Damit einher ging die Ablösung der konventionellen Ölheizung (mit einer Bevorratung von bis zu 200.000 Liter Heizöl) und die Aufschaltung eines Wärmetauschers auf das Nahwärmenetz Oggenried-Irsee, das ein Landwirt und Biogasanlagen-Betreiber in der Marktgemeinde auf- und ausbaute. Das zusätzlich errichtete Blockheizkraftwerk (BHKW), das wirtschaftlich nur mit konventionellem Gas betrieben werden kann, wurde nach dem Angriffskrieg auf die Ukraine im März 2022 abgeschaltet, weil die energiepolitische Großwetterlage wie auch der CO2-Fußabdruck des BHKW eine Neubewertung erforderlich machte.

Die größten Nachhaltigkeits-Investitionen tätigte der bezirkliche Eigenbetrieb durch die Anschaffung von Photovoltaikanlagen auf den zum Denkmal benachbarten Gebäuden: PV-Anlagen auf dem Dach der Josef-Guggenmos-Grundschule, der hauseigenen Lagerhalle, dem Pufferspeicher des Nahwärmenetzes sowie auf dem Turnhallendach gingen zwischen 2009 und 2018 ans Netz. Mit dem Erweiterungsbau Küferei wurde eine fünfte PV-Anlage angeschlossen – erstmals auf dem denkmalgeschützten Campus von Kloster Irsee und vorwiegend für den Eigenverbrauch des neuen Baukörpers konzipiert. Die Anlagen mit einer Gesamtleistung von knapp 120 kWp haben 2020 rund 80.000 kW und 2021 weitere 71.000 kW in das öffentliche Stromnetz eingespeist, was zusammen genommen einer CO2-Einsparung von über 100 Tonnen CO2-Äquivalenten entspricht. Dass Gäste und Mitarbeitende ihre bzw. die beiden hauseigenen E-Fahrzeuge elektrisch laden können, versteht sich von selbst; eine E-Bike-Ladestation soll demnächst hinzukommen.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 79