ENERGIEBAUER AUS DEM SONNENDORF

Als Sepp Bichler in den 1970er-Jahren mit 18 Jahren den elterlichen Hof übernahm, war er ein Energiepionier. Heute gilt sein Heimatort Sielenbach im Landkreis Aichach-Friedberg als Vorzeigebeispiel für eine gelungene kommunale Klimapolitik.

Der Sielenbacher Sepp Bichler montierte als einer der ersten in Deutschland eine PV-Anlage auf das Dach des elterlichen Hofes. Heute ist er gefragter Ansprechpartner in Sachen Energiewende, auch für die Politik. / Annette Zoepf /

Zunächst wollen die Schafe nicht. Auch der mit Brotresten gut gefüllte Eimer kann sie nicht locken. Doch irgendwann traut sich das erste Tier unter den Solarmodulen hervor und frisst dem Mann aus der Hand. Man muss Geduld haben mit den scheuen Tieren, weiß Sepp Bichler.

Geduld und Überzeugungskraft: Das ist nicht nur im Umgang mit der Schafherde auf der Photovoltaikanlage Raderstetten bei Sielenbach notwendig. Beides ist auch erforderlich, wenn man sich für Umweltbelange und erneuerbare Energien einsetzt. Themen, die Sepp Bichler bewegen und bei denen er viel bewegt hat. „Missionieren will ich niemanden“, sagt der 74-jährige, der als Senior seines Unternehmens „Energiebauern GmbH“ für die Akquise zuständig ist. Aber überzeugen kann er: Wo immer Sepp Bichler über die Energiewende und deren Möglichkeiten spricht, sei es in Gemeinderäten, auf Versammlungen oder auch im Landtag, kann er den eigenen Heimatort als bestes Beispiel für eine gelungene kommunale Klimapolitik heranziehen.

Als Sepp Bichler mit 18 Jahren den elterlichen Hof im Landkreis Aichach-Friedberg übernahm, war sein Weg zu einem der Pioniere der Energiewende in Bayern beileibe nicht vorgezeichnet. Heute wird der Landwirt als Experte zu Anhörungen in den Landtag eingeladen und zeigt Söder, Aiwanger & Co. die Fehler und Versäumnisse der bayerischen Energiepolitik auf. Neben der Landwirtschaft gründete Bichler 2003 das Unternehmen „Energiebauern GmbH“, das mit seinen 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bundesweit agiert. Kern des Unternehmens ist die Photovoltaik: Inzwischen betreibt die „Energiebauern GmbH“ 75 PV-Freiflächenparks, die rund 700 Megawatt Leistung erbringen, „also so viel Strom wie ein großes Gaskraftwerk.“ 300 Megawatt werden derzeit jährlich zugebaut. Zudem hat das Unternehmen sechs Windkraftanlagen und zwei Stromnetzkonzessionen. Seit 2019 gehören neben dem Biohof in Sielenbach auch noch zwei Biolandwirtschaftsbetriebe in der Uckermark zum Unternehmen. „Das ist mir als Landwirt einfach persönlich wichtig“, sagt Bichler.

 

Die Energiebauern GmbH betreibt bereits 75 PV-Freiflächenparks, die so viel Leistung erbringen wie ein großes Gaskraftwerk

 

Seinen Bürostandort hat das Unternehmen mittlerweile im Herzen von Aichach, Büros auf drei Stockwerken, natürlich mit Photovoltaik ausgestattet. „Technische Planung, Bauleitplanung, Bau und Betrieb aller Anlagen sind bei uns in einer Hand, damit wir unsere eigenen Qualitätsmaßstäbe wahren können“, betont Sepp Bichler, der das Unternehmen mittlerweile an die beiden Söhne übergeben hat. Er repräsentiert die „Energiebauern GmbH“ nach außen. Und weiß: „Auch bei den Grünen sieht uns mancher skeptisch, weil wir den Betrieb so stark ausgebaut haben.“ Aber Bichler, der auch bei seinem kommunalpolitischen Engagement, unter anderem als stellvertretender Bürgermeister in Sielenbach und langjähriger Kreisrat in Aichach-Friedberg, immer parteiunabhängig blieb, nimmt das gelassen: „Wer arbeitet, darf auch Geld verdienen.“

Einfach war und ist der Einsatz für erneuerbare Energien nicht, erst recht nicht in Bayern. Als Bichler in den 1970er-Jahren zunehmend öffentlich für Solar- und Windenergie eintrat, galt im Freistaat Atomenergie als die Zukunftstechnologie. Skeptiker wurden in die Schranken gewiesen: „Strauß meinte, ich solle in den Osten gehen, wenn es mir hier nicht passt, der damalige Münchner Kardinal Ratzinger forderte uns auf, mehr zu beten als zu politisieren.“ Uns, das war die Katholische Landjugend, in der Sepp Bichler aktiv war, von 1976 bis 1982 auch als deren Vorsitzender in Bayern. Den entscheidenden Impuls gab die Lektüre von Die Grenzen des Wachstums. Bericht des Club of Rome zur Lage der Menschheit. In der Katholischen Landjugend fanden sich Gleichgesinnte: „Wir wussten, es kann so nicht weitergehen, wir plündern als Gesellschaft die Rohstoffe und zerstören die Umwelt massiv.“

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 86