Vom Atom-Starfighter zum Mallorca-Jet: Regionalflughäfen im Schatten der Großen haben es bundesweit meist schwer. Nicht so Memmingerberg – ein Erfolgsmodell auf historischem Grund, dem nicht einmal Corona etwas anhaben konnte.
Diese Reise steht in keinem Flugplan oder etwa auf der elektronischen Anzeigetafel in der Abflughalle. „Entdecken Sie, was Ihr Koffer sonst alles ohne Sie erlebt“, heißt es in der freundlichen Einladung zu einer „Airport Tour“, bei der es lediglich um einen Blick hinter die Kulissen des Memminger Flughafens geht, Besuch bei der Flughafenfeuerwehr inklusive. Von der Perspektive eines einfachen Gepäckstücks zur Sichtweise eines erfolgreichen Geschäftsmannes. Beim höchstgelegenen Verkehrsflugplatz Deutschlands läuft es gut, obwohl dort in erster Linie geflogen wird. Nicht nur die mehr als 600 Meter Flugplatzhöhe über dem Meeresspiegel lässt einen leicht schwindeln, sondern auch das, was am Memmingerberg in den vergangenen zwei Jahrzehnten in rasanten Tempo alles hingelegt wurde.
Aller Anfang ist schwer – das oft bemühte Sprichwort passt irgendwie zur Entwicklung des Allgäuer Aufsteigers, aber im Fall des 2003 von der deutschen Luftwaffe leergeräumten, langjährigen Militärareals nahe der A 96 sei es doch noch einmal gestattet. Denn: „Es gab einen leeren Hangar, einen leeren Tower, kein Personal und keine Fluglotsen“, beschreibt Flughafen-Geschäftsführer Ralf Schmid den damaligen Status. Ein Mann aus dem Schwarzwald, der übrigens weiß, wie man mit eigenen Händen ein Flugzeug an den Himmel hievt oder ein Airport-Projekt in der Provinz nach ganz oben befördern kann. Gegen alle anfänglichen Widerstände in Politik, Wirtschaft und Bevölkerung boxte der hartnäckige Manager – zusammen mit anderen Mitstreitern aus mittelständischen Unternehmen – ein Verkehrsinfrastrukturprojekt durch, das in Deutschland seinesgleichen sucht. Die rund sechs Dutzend Gesellschafter – etwa Firmen und Privatleute – hielten trotz eines schwierigen Umfelds bis heute durch. Das einmalige Beteiligungsmodell glaubte nach der Schließung des langjährigen Militärstandorts Memmingerberg, an dem viele Jahrzehnte Flugzeuge in Tarnfarben aufstiegen, an einen Weiterbetrieb als Tourismus-Startbahn.
Mitstreiter der eigenen Branche waren „Bremsklötze“
Freilich war der zum Teil erbitterte Widerstand beim Bürger auch der Tatsache geschuldet, dass manche in der Nachbarschaft ihre Träume vom Häuslebauen auf günstigem Grund begraben mussten. Statt Eigenheimen oder Gewerbeparks, wie es etwa an ehemaligen Luftwaffenstandorten wie Leipheim passierte, stand nun das Geschäft mit Reisenden in dickbauchigen Passagierjets vor dem Takeoff. Als weitere Bremsklötze gegen die himmlischen Absichten erwiesen sich damals zudem ausgerechnet Mitstreiter aus der eigenen Branche. Denn als Pläne zur zivilen Nutzung der Piste auf dem Lechfeld südlich von Augsburg und sogar der Ausbau des im Norden bestehenden Verkehrslandeplatzes zum Verkehrsflughafen entstanden, gab es auch von dort viele kritische Blicke gen Allgäu. Ralf Schmid: „Seinerzeit waren fast alle gegen uns.“
Airport Augsburg mit einer eigenen Fluggesellschaft „Augsburg Airways“ landeten in den Geschichtsbüchern, das Lechfeld gilt heute als einer der wichtigsten NATO-Standorte. Dagegen stieg Memmingen – auch mit dem Startgeld umliegender Allgäuer Städte – zu einem ernst zu nehmenden Mitbewerber unter den deutschen Regionalflughäfen auf. Kritikern solcher kleinen Pisten im Schatten der großen Verkehrsflughäfen wie München oder Frankfurt, hält ein selbstbewusster Flughafen-Experte wie Ralf Schmid gern entgegen: „Es macht sehr wohl Sinn, eine dezentrale Luftfahrt zu betreiben. Es steht sogar im besonderen Interesse des bayerischen Staates, auch in den Gebieten außerhalb der großen Metropolen für ausreichende Verkehrswege und -verbindungen zu sorgen.“ Zu Letzterem zähle ein Standort wie Memmingen. Und: „Lobbyisten und große Bankhäuser, die ihre schützende Hand über die Megaflughäfen halten, wollen dies den abseits liegenden Landstrichen einfach nicht gönnen.“
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in der top schwaben Ausgabe Nr. 82