”KEIN SCHLOSS FÜR MICH, ABER IRGENDWANN EINMAL EINE INSEL FÜR ALLE MENSCHEN“

Seit 2004 lebt der Künstler Hans Kleinschmidt im alten Ziegelwerk Erkheim – eine Herausforderung und eine Entscheidung, die er nicht bereut.

Hans Kleinschmidt vor seiner alten Ziegelei, die ihm viel Arbeit abverlangt. Die Tätigkeit am Bau empfindet er wie Kunst. / Nicolas Felder Fotografie /

Manche mögen denken, was für ein merkwürdiger Ort. Sie finden keinen Bezug zu den alten Mauern, aber viele fühlen sich auch angezogen vom morbiden Charme und dem besonderen Ambiente der ehemaligen Ziegelei in Erkheim-Lerchenberg im Landkreis Unterallgäu. Hans Kleinschmidt, der Besitzer des Areals, sieht in der Bewahrung des ehemaligen Ziegelwerks seine Lebensaufgabe. Mit viel Herzblut, Idealismus und Engagement setzt sich der Künstler für den Erhalt der Industrieruine ein.

Der begehbare Ringofen, datiert aus Jahr 1907, ein dreistöckiger Fachwerkbacksteinbau steht darüber. 1974 kam das Aus für die Produktion. Niemand kümmerte sich um die Gebäude, die über lange Zeit vor sich dämmerten und zusehends verfielen. Im Jahr 2004 entdeckte der junge Steinbildhauer Hans Kleinschmidt, er war damals 24, den „verwunschenen Ort“, konnte zunächst mietfrei hier wohnen und arbeiten. Er begann sofort mit kleinen Instandsetzungsarbeiten. 2009 erwarb er dann von der Vorbesitzerin das gesamte Areal. Die ersten Jahre lebte er unter einfachsten Verhältnissen: „Ich musste das Wasser mit der Gießkanne holen.“ Nun arbeitet er seit beinahe 20 Jahren an den Gebäuden, restauriert, renoviert, ersetzt beschädigte Teile – und dies alles mit höchst bescheidenen finanziellen Mitteln. „Schritt für Schritt gehen und Stück für Stück denken,“ ist sein Motto für diese Mammutaufgabe, bei der der Faktor Zeit keine Rolle spielt. „Ich baue hier kein Schloss für mich“, sagt Kleinschmidt, „aber irgendwann wird hier ein Ort entstehen, an dem man sich finden kann, eine Insel für alle Menschen, ein Platz zum Anfassen mit vielen Chancen und Möglichkeiten etwas zu bewirken.“

Welche Möglichkeiten sich bieten, war erstmals im Jahr 2022 bei einer Ausstellung in der alten Ziegelei zu bestaunen. Knapp 30 Künstlerinnen und Künstler aus der Region zeigten an vier Wochenenden im Juli ihre Arbeiten. Neun Monate intensive Vorbereitungszeit waren dafür notwendig. Der Erfolg überwältigte Hans Kleinschmidt, der zusammen mit der Marktgemeinde Erkheim als Veranstalter fungierte: „Es kamen über 7.000 Besucherinnen und Besucher!“ Besonders freute es ihn, dass trotz der vielen Menschen eine „ruhige Atmosphäre“ herrschte, „das war wirklich sehr beeindruckend“. Auch eine Hochzeit und ein runder Geburtstag wurden bereits in den alten Mauern gefeiert.

 

Ausstellung „Kunst im alten Ziegelwerk“ 2022 lockte mehr als 7.000 Besucher

 

Aus dem Bildhauer Hans Kleinschmidt, der seine Kunst unter anderem an der renommierten Steinmetz- und Steinbildhauerschule in Laas in Südtirol erlernt hat, ist inzwischen auch ein vielseitiger Handwerker geworden, der die unterschiedlichsten täglichen Herausforderungen bewältigen muss. „Sein Leben ist eine Baustelle“ schrieb die Süddeutsche Zeitung, die Kleinschmidt und seinem Projekt einen fast ganzseitigen Bericht widmete. „Es kommt mir zugute, dass ich schon während meiner Kindheit viel gebastelt, geschraubt und repariert habe,“ ist er sich sicher, „ich habe die richtigen Gene, das erleichtert die Arbeit“.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 84