AB IN DIE TIEFEN DES BODENSEES

1889 wurde das „Schwäbische Meer“ erstmals vermessen. Ziel sollte eine Bodenseekarte im Maßstab 1:25000 sein.

Thomas Freitag von der Wasserwacht Lindau freut sich über die historischen Unterlagen zum Bodensee im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau. / HDZ / Hildegard Nagler /

Der Bodensee hat die Menschen schon immer angezogen. Im Heimatkundlichen Dokumentationszentrum des Landkreises Lindau (HDZ) in Weiler gibt es Unterlagen über die Bodensee-Vermessung von 1889. Dafür wurde ein speziell ausgestattetes und darüber hinaus ausgeflaggtes Schiff eingesetzt. Thomas Freitag von der Wasserwacht Lindau ist von den alten Unterlagen beeindruckt. „Sie zeigen den Bodensee von einer ganz besonderen Seite.“

Es muss ein gewaltiger Aufwand gewesen sein: Eberhard Graf Zeppelin, Kammerherr Seiner Majestät des Königs von Württemberg und Bruder des legendären Luftschiffbauers Ferdinand Graf Zeppelin, hatte sich als Vertreter des Großherzogtums Baden im Vorstand des Vereins für Geschichte und seiner Umgebung 1886 für die exakte Kartierung und naturwissenschaftliche Erforschung des Bodensees stark gemacht. Er sollte das von den Regierungen der fünf Seeanrainerstaaten gemeinsam getragene Projekt koordinieren. In einer ersten Zusammenkunft von Abgeordneten am 30. September 1886 in Friedrichshafen wurde über das große Vorhaben gesprochen. Ziel sollte eine Original-Seekarte im Maßstab 1 : 25.000 sein. „Mittlerweile hatte sich das Bedürfnis einer guten Seekarte aber auch für die Bodensee-Schiffahrt als ein immer dringlicheres erwiesen. Nur weil es an seiner solchen beziehungsweise an einer genauen Kenntnis der Seetiefen-Verhältnisse gebrach, waren kurz nacheinander mehrere Dampfschiffe auf den Grund geraten, und man konnte noch von Glück sagen, dass dabei nur sachlicher Schaden entstanden und nicht auch der Verlust von Menschenleben zu beklagen war“, heißt es in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung von 1893.

Mit Rad, Rolle und Lotleine wurde 1889 die Tiefe des Sees gemessen.

Beauftragt mit den Messungen wurde Ingenieur Jakob Hörnlimann aus Bern, im Überlinger See übernahm diese Aufgabe ein badischer Ingenieur. „Auf einem etwa 10 m langen Ruderschiff, das durch 3-4 Mann bedient wird, hat Herr Hörnlimann den Apparat aufgestellt, der ebenso einfach als sinnreich konstruiert ist“, heißt es in einem Zeitungsbeitrag vom 5. November 1889. Die auf einer Rolle aufgewundene Lotleine wurde über ein genau ein Meter im Umfang messendes Rad und dann über eine am Schiffsbord angebrachte Rolle in die Tiefe geleitet. „Mit dem erstgenannten Rad steht ein Zählapparat in Verbindung, welcher die Länge der über das Rad gegangene Leine ganz genau registriert“, heißt es in dem Beitrag. Dadurch könne die Tiefe der betreffenden Stelle einfach abgelesen werden. Die Leine selbst bestand aus einem Stahldraht, der auf 100 Kilogramm Zugfestigkeit geprüft worden war. Als Lotgewicht dienten drei 2, 4 und 6 Kilogramm schwere durchbohrte eiserne Kugeln, durch die ein Eisenstab gesteckt war.

Zuvor waren Hanfleinen und dann Seidenschnüre an den Lotungen befestigt worden. Bei Tiefen von 200 Metern und mehr habe dies allerdings zu Messungenauigkeiten von bis zu 24 Metern geführt. „Damit diese Zeichengebung nicht missverständlich als Nothsignal aufgefasst wird, ersuchen wir den Gr. Dampfschifffahrtsinspekteur zur weiteren Verständigung der Schiffskapitäne hiervon in Kenntnis zu setzen, sowie auch geneigtest Anordnung zu treffen, dass die Dampfschiffe dem Lothschiff entweder so weit ausweichen, oder im Vorbeifahren die Kraft so viel mässigen, dass starke Schwankungen des letzteren während des Lothens, bei dem ein sehr feiner Draht verwendet wird, vermieden werden“, heißt es in einem Brief der Organisatoren.

252 Meter – das war die tiefste Stelle im Obersee, die nach den rund fünfwöchigen Messungen zwischen Uttwil und Friedrichshafen gefunden worden war; im Überlinger See waren es 147 Meter und im Untersee 46,6 Meter. „Sehr interessant ist durch die Hörnlimann’schen Aufnahmen festgestellte Thatsache, daß das Rheinbett sich unter Wasser noch auf einer Strecke von 10 km fortsezt; würde man den See auspumpen, so würde sich also von der Rheinmündung an ein 10 km langes Rinnsal zeigen, zu dessen beiden Seiten der vom Wasser mitgeführte feine Schlamm sich in Form von Dämmen angesammelt hat, während das schwere Geschiebe sich unmittelbar beim Einfluß des Rheins in den See ablagert“, heißt es weiter in dem Artikel.

Zu den bekanntesten kartografischen Darstellungen des Bodensees und seiner Umgebung zählten zuvor die Karten von Sebastian Münster (um 1540), Leonhard Straub (1579) Christoph Hurter (1649) und Matthias Seutter (um 1740). „Die ältesten sicheren Nachrichten, welche wir vom Bodensee besitzen, finden sich bei Strabo (50 v. Chr. bis 30 n. Chr.)“, schreibt Zeppelin in den Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung von 1893. „Dieser berichtet zuerst im IV. Buch cap. 3 seiner Geographie, der am Berg Adula entspringende Rhein ergiesse sich in grosse Sümpfe und einen grösseren See, und im VII. Buch cap. 1, dass zwischen den Quellen des Rheins und der Donau der See und die Sümpfe sich befinden, durch welche der Rhein ströme“, führt er aus.

Lesen Sie mehr

in der top schwaben Ausgabe Nr. 83