EIN STIFT FÜR FEINE DAMEN

Das Buch „Schwäbischer Barockwinkel“ beschreibt „barocke Pracht in einer Landschaft stiller Schönheit“. Teil 1 unserer Serie führt nach Edelstetten.

Eingebettet in die schöne Hügellandschaft bei Krumbach liegt das eh. Damenstift Edelstetten. / Wolfgang Strobl /

„Touristische Unterrichtungstafeln“ heißen in sperrigem Amtsdeutsch die braunen Hinweisschilder an der Autobahn. Eine davon ziert die Silhouette des Klosters Edelstetten und verweist auf den Schwäbischen Barockwinkel, stellvertretend für die Vielzahl großer und kleiner, meist kirchlicher Bauten in der Region Mittelschwaben, deren Turmabschlüsse häufig die charakteristische Form einer Zwiebelhaube haben.

Das gilt auch für St. Johannes Baptist und Johannes Evangelist, die als Südflügel der Klosteranlage gleichzeitig Stiftskirche und Pfarrkirche des Ortes Edelstetten war. Bereits 1126 von der Stifterin und ersten Äbtissin Gisela von Schwabegg-Balzhausen als Augustiner-Chorfrauenstift gegründet, war Edelstetten spätestens um 1500 in ein weltliches, adeliges Kanonissenstift umgewandelt. Aus diesem Damenstift konnten die Chorfrauen, mit Ausnahme der auf Lebenszeit gewählten Äbtissinnen, jederzeit austreten oder auch heiraten, weshalb es sich in Edelstetten eher um eine Versorgungsanstalt für Töchter des niederen schwäbischen Adels handelte denn um ein Kloster. Die adeligen Damen sorgten dafür, dass der Ort, der bis um das Jahr 1500 Oetlinstetten hieß, in „Edelstetten“ umbenannt wurde.

Die heutige barocke Klosteranlage samt Kirche wurde 1681 bis 1712 errichtet und ist Zeugnis der größten Blütezeit des Stiftes. In diese Zeit fiel auch der Neubau der Klostergebäude: Äbtissin Katharina Franziska von Westernach ließ kurz nach ihrem Amtsantritt die baufälligen Gebäude abbrechen und beauftragte den Vorarlberger Michael Thumb mit den Planungen für die neue Anlage. Thumb, der einige Jahre zuvor im nahen Wettenhausen den Kirchenbau vollendet hatte, konnte die nötige Schar an Handwerkern und Arbeitern organisieren – was den Baumeistern aus der Region durch den lange währenden Krieg noch Mitte der 1680er Jahre nicht möglich war. In Mittelschwaben war zu diesem Zeitpunkt jegliche handwerkliche und künstlerische Tradition erloschen.

 

Aus dem Damenstift konnten die Chorfrauen jederzeit wieder austreten oder auch heiraten

 

Ein Stück neuer Kunstgeschichte der Region beginnt mit dem Bau des Edelstetter Kirchturms. Im November 1700 verzeichnen die Rechnungen erstmals heimische Meister. Mang (Magnus) Kraemer aus Weißensee bei Füssen und seine Gesellen, darunter sicher seine Söhne Simpert und Leopold, arbeiteten am Edelstetter Turm, der 1714 vollendet wurde und als einer der schönsten im Schwäbischen Barockwinkel gilt. Mang Kraemer setzte auf den mittelalterlichen Unterbau mit noch romanischen Mauerresten zwei weitere Geschosse, die durch ein profiliertes Gesims getrennt sind. Über Eck gestellte Pilaster betonen die Achtecksform des markanten Turms. Die Form schmucker Dreiecks- und Segmentgiebel über den Blenden beider Geschosse hat Mang Kraemer vermutlich von der Front der Dillinger Universität übernommen, die er auf dem Weg zu seiner vorigen Baustelle in Syrgenstein wohl gesehen haben musste.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 76