Christine Müller Horn leitet das Museum im Kemptener Zumsteinhaus. Dort wurde mit der Neukonzeption des Museums die Stadtgeschichte der „Allgäu-Metropole“ zum Leben erweckt.
Roman hat schon viel erlebt. Er sah zu, als ein Menschenauflauf einem gewissen Adolf Hitler zujubelte. Er sah, nach Brecht, die dümmsten Kälber, die ihren Schlächter selber wählten. Er sah in der Folge unglückliche Zwangsarbeiter, er sah erschöpfte Flüchtlinge, die auf eine neue Heimat hofften. Er sah aber auch Generationen arbeitsamer Landwirte, die hier ihren Geschäften nachgingen, Zirkusfamilien, Flohmarkthändler, Musiker und jubelndes Publikum.
Jetzt ist zwar die Zukunft des Ortes, über den Roman wacht, ungewiss, denn die künftige Nutzung der Allgäuhalle steht in den Sternen. Aber eines ist sicher: Roman gehört zu Kempten. Und im noch jungen Stadtmuseum hat er, als Duplikat der 2,5 Tonnen schweren Skulptur, die Bildhauer Ludwig Eberle zur Einweihung der neuen Viehzuchthalle in der Allgäu-Metropole schuf, seinen festen Platz.
Roman ist ein Teil der Stadtgeschichte – und Geschichte sowie Geschichten wie die von Roman, dem Stier aus Muschelkalk, werden im „Kempten-Museum im Zumsteinhaus“ auf besonders gelungene und anschauliche Weise erzählt. Das Haus, das erst vor einem Jahr eröffnete, schrieb selbst schon an einem Teil Stadtgeschichte mit – keine geringe Leistung in Zeiten geschlossener Museen während der Corona-Pandemie. „Wir wollten ein Museum, das alle Sinne anspricht, das die Bürgerinnen und Bürger mit einbezieht und wir haben von Anfang auf die digitale Vermittlung gesetzt“, so Museumsleiterin Dr. Christine Müller Horn. So konnte der monatliche „Bewegte Donnerstag“, der von Anfang an zum festen Bestandteil des Museumsprogramms gehören sollte, auch in Zeiten des Lockdowns weitergeführt werden. Die als Livestream und Videokonferenzen durchgeführten Veranstaltungen, beispielsweise mit Vorträgen und Gesprächen zu öffentlichen Stadträumen oder Frauenleben in Kempten, erhielten guten Zuspruch. Mit einem bisherigen Rekord im Juni 2020: Rund 150 Menschen verfolgten einen Livestream zum Thema „Kempten im Nationalsozialismus“, eine Veranstaltung, die lebhafte Diskussionen nach sich zog. Auch wenn die Thematik auf Sensibilitäten und Kontroversen stieß, so hat sie doch auch etwas ausgelöst. „Die Zeit des Nationalsozialismus ist noch ein blinder Fleck in der Stadtgeschichte“, sagt Christine Müller Horn, „aber es ist eben auch die Aufgabe eines Museums, auf das hinzuschauen, was noch erforscht werden muss.“
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in der top schwaben Ausgabe Nr. 72