ARBEIT UND VERANTWORTUNG ANSTELLE VON GLANZ UND GLAMOUR

Von Unteregg im Unterallgäu aus liefert die Firma Faustmann jährlich 450.000 Kopfbedeckungen in 40 Länder der Welt. Unternehmer Markus Faustmann wünscht sich „mehr Mut zum Handwerk“.

Markus Faustmann führt in zweiter Generation das Familienunternehmen „Faustmann Hüte & Mützen“ in Unteregg im Landkreis Unterallgäu. Im Jahr 2011 übernahm er den Betrieb von seinem Vater Gunther. „Wichtigster Arbeitgeber am Ort zu sein, bringt eine besondere Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich,“ sagt der Unternehmer, der in der 1.400-Einwohner Gemeinde 31 Mitarbeitende beschäftigt. / Nicolas Felder /

Ein Leben als Unternehmer, das klingt schillernd und aufregend. Für Markus Faustmann heißt es jedoch in erster Linie Verantwortung zu übernehmen, Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Verantwortung aber auch für das Zusammenleben im Dorf. Das bedeutet hauptsächlich viel Arbeit statt Glanz und Glamour.

In zweiter Generation führt er das Familienunternehmen „Faustmann Hüte & Mützen“ in Unteregg im Landkreis Unterallgäu. Die Firma ist größter Arbeitgeber in der 1.400-Einwohner-Gemeinde, 31 Beschäftigte, darunter 26 Frauen, produzieren Mützen, Hüte und Caps. Hinzu kommen noch mehrere freiberuflich tätige Außendienstmitarbeiter. Viele Mitarbeiterinnen kommen direkt aus Unteregg, andere größere Betriebe gibt es im Dorf nicht. Wer in die Kreisstadt Mindelheim oder in die 15 Kilometer entfernte Kurstadt Bad Wörishofen pendeln muss, wo es zahlreiche Arbeitsplätze gibt, der ist auf das Auto angewiesen, mit dem öffentlichen Personennahverkehr ist es nahezu unmöglich.

„Wichtigster Arbeitgeber am Ort zu sein, bringt eine besondere Verantwortung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich,“ sagt Firmenchef Markus Faustmann, vor allem sei auch Flexibilität gefragt, „wenn zum Beispiel zu Hause bei einer Mitarbeiterin dringend helfende Hände gebraucht werden oder familiäre Umstände es erfordern, dann stelle ich meine Mitarbeiterinnen frei, die verlorene Zeit wird einfach wieder eingearbeitet.“ Genauso unkompliziert und selbstverständlich bietet er Jugendlichen im Dorf Ferienarbeit und Praktikumsplätze an, „um das erste eigene Geld zu verdienen und in die Berufswelt hineinzuschnuppern“.

 

„Es wäre ja geradezu absurd, würde ich meine eigenen Feuerwehr-Einsatzstunden der Gemeinde in Rechnung stellen.“

 

Flexibilität ist nicht nur gefragt, wenn aus nachvollziehbaren Gründen ein freier Tag gebraucht wird, sondern auch dann, wenn im Dorf die Sirene schrillt und Alarm ausgelöst wird. „Zu einem Einsatz können die drei Mitarbeiter, die bei der Feuerwehr aktiv sind, während der Arbeitszeit ausrücken,“ das ist für Markus Faustmann selbstverständlich. Er könnte dafür von der Gemeinde eine Ausgleichszahlung für die geleistete Einsatzzeit verlangen, verzichtet aber darauf, sogar noch mehr: Er ist selbst seit vielen Jahren aktiv bei der Freiwilligen Feuerwehr Unteregg. „Es wäre ja geradezu absurd, würde ich meine eigenen Feuerwehr-Einsatzstunden der Gemeinde in Rechnung stellen.“

Sein Vater Gunther Faustmann hat vor 52 Jahren, kurz nachdem er die Meisterprüfung abgelegt hatte, mit seiner kleinen Handwerksfirma in Unteregg den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt. Er ist einer der letzten Hutmachermeister Deutschlands, hat diesen Beruf von der Pike auf gelernt. „Die Wurzeln unseres Betriebes liegen in Berlin. Nach dem Krieg siedelte sich mein Vater Herbert Faustmann in Unteregg an und eröffnete eine Werkstatt zur Mützenfertigung,“ blickt Gunther Faustmann auf die Anfänge zurück. Ausbildungsbetriebe zum Hutmacher gibt es heute in Deutschland nicht mehr. Wer Modistin werden möchte, also Damenhüte anfertigen will, findet dafür noch ein paar Lehrstellen. Der 80-jährige Seniorchef Gunther Faustmann steht nach wie vor mit seiner Erfahrung bereit, auch „damit das Wissen um das Hutmacher-Handwerk nicht vollends verlorengeht.“

Von Beginn an ist die Firma eng mit dem Dorf verwurzelt. Das ist auch so geblieben, als 2011 Markus Faustmann das Unternehmen von seinem Vater übernahm und für die Zukunft aufgestellt hat. Sein Konzept lautet „Tradition trifft Moderne“, er spricht damit an, dass in der eigenen Werkstatt nach wie vor in Handarbeit Hüte produziert und veredelt werden, in erster Linie für Damen. Neben diesen speziellen Sonderanfertigungen werden vom Standort Unteregg aus jährlich etwa 450.000 Teile in fast 40 Länder ausgeliefert. Zwei Hut- und Mützenkollektionen, eine im Frühjahr, eine im Herbst, werden pro Jahr im eigenen Atelier entworfen und hauptsächlich in Europa produziert. „Das umfasst etwa 400 bis 500 Einzelteile,“ erläutert Markus Faustmann, „in über 2.000 Variationen.“ Zum Portfolio gehören auch Baseballcaps und Handschuhe. Faustmann beliefert Kunden weltweit, zudem sind die Kollektionen online und im eigenen Outlet-Shop mit Showroom erhältlich. Nachdem die Corona-Pandemie über drei Jahre lang für Beeinträchtigungen gesorgt hatte, ist nun die Präsenz auf Fachmessen wieder ein wichtiges Standbein für Faustmann. Das bedeutet für Markus Faustmann zahlreiche zeitaufwändige Pflichttermine, doch für die Kundenbindung ist es unerlässlich.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 90