„ICH MÖCHTE NICHT, DASS DIE LEUTE AUSBRENNEN!“

Als Popularmusikbeauftragter des Bezirks Schwaben setzt Max Schlichter eigene Schwerpunkte und sieht sich als Schnittstelle zwischen Künstlern, Veranstaltern und Politik.

Vormals Bandmitglied der „Killerpilze“, heute im Büro einer Behörde: Max Schlichter ist Popularmusikbeauftragter des Bezirks Schwaben. / Bernd Hohlen /

„Volle Konzertsäle, begeisterte Fans, fehlt das nicht?“ „Nö, gar nicht“, sagt Max Schlichter kurz und knapp. Aha. So einfach ist das also, nach neun veröffentlichten Tonträgern, Goldenen Schallplatten, fast tausend gespielten Konzerten in Europa und einem Kinofilm, aufzuhören. Sind wir nicht mit der Vorstellung aufgewachsen, „einmal Bühne, immer Bühne“, weil wir Bühnenkünstlern so viel Egozentrik zugestehen, dass ein „normales Leben“ keine erstrebenswerte Lebensform ist? Nicht so bei Max Schlichter. „Ich habe als junger Musiker so viel mitgenommen, konnte so viel Wissen aufsaugen von Leuten, die ich in meiner Karriere getroffen habe – Produzenten, andere Musiker. Das war ein ständiger Austausch, der mich sehr vorangebracht hat. Jetzt habe ich eine offizielle Stelle und kann mein Wissen weitergeben. Es geht um Geben und Nehmen“, sagt er in seiner Funktion als heutiger Popularmusikbeauftragter des Bezirkes Schwaben.

Der Bezirk Schwaben ist von der Fläche mehr als halb so groß wie das Bundesland Sachsen und hat knapp zwei Millionen Einwohner. Von außen betrachtet sind Augsburg und Bayerisch-Schwaben da plötzlich ganz schmächtig und provinziell. Positiv betrachtet gibt es jedoch viel zu tun und viel zu entdecken. Eine Aufgabe, die Max Schlichter angenommen hat: Denn auch ein gewisser Udo Lindenberg, der einst die „Bunte Republik Deutschland“ ausgerufen hat, kam aus der Provinz, der westfälischen Kleinstadt Gronau. Seiner „bunten Republik“ ist man gern gefolgt, auch hier im Süden. Das „Bunte“ hat sich auch der Bezirk auf die Fahnen geschrieben: „Schwaben ist bunt“. Inklusion. Demokratie. Vielfalt. Offenheit. Udo würde es gefallen.

 

Mit der Lässigkeit eines Rockstars und der Zugewandtheit eines wachsamen Mediators

 

Wer Verwaltungsstrukturen von vor dreißig Jahren kennt, reibt sich die Augen, wenn nun ein Mitdreißiger mit der Lässigkeit eines Rockstars und der Zugewandtheit eines wachsamen Mediators, Gesprächspartner ist. „Ja, da hat sich beim Bezirk viel getan, seit Max Schlichter Popularmusikbeauftragter ist. Vor allem hat er viel für die Vernetzung unter den beteiligten Akteuren und Institutionen getan“, stellt Jürgen Kannler, Herausgeber des Magazins a3kultur und Veranstalter diverser Sprech- und Diskussionsformate über Kultur in der Stadt und der Region, fest. Er hatte Max Schlichter bereits zu seinem Kultursalon eingeladen.

Für ein modernes, offenes Verhältnis des Bezirks zur rasanten Entwicklung des Pop- oder Kulturmarktes spricht auch die Auslegung der Stelle des Popbeauftragten. Max Schlichter: „Man hat es mir offengelassen, in welche Richtung ich das entwickeln kann. Ich konnte ein paar Schwerpunkte setzen. Zunächst als Beratungsstelle für KünstlerInnen für alle Fragen rund um die Popmusik. Die rechtlichen Aspekte der Musik. Lizenzierung und Fragen, wie mit der GEMA umzugehen ist. Das sind alles sehr formale Dinge, die wichtig sind, die aufstrebende MusikerInnen wissen sollten, aber dann fällt der Satz: „Mentale Gesundheit ist ein wichtiges Thema“, so Schlichter. Dazu später mehr.

 

Maximilian Schlichter geht es um die Sichtbarkeit localer Acts

 

Für Popmusiker ist es fast unmöglich geworden, mit Tonträgern oder Streamings Geld zu verdienen. Was bleibt, sind Live-Auftritte. „Auch das Live-Business ist hart kalkuliert. Man muss erst einmal 300 Leute finden, die bereit sind, ein 20-Euro-Ticket zu kaufen. Auch hier gibt es genügend Zwischenakteure, die vom Kuchen etwas haben möchten. Deswegen achten wir auf die Sichtbarkeit von lokalen Acts. Wir bieten sogenannte Slots an bei bestehenden Festivals, wie zum Beispiel beim „Modular-Festival“, wo viele Besucher kommen und unbekannte Bands die Möglichkeit haben, aufzutreten. Beim „Modular“ haben wir eine Bühne drei Tage lang kuratiert und bespielt. Ich hoffe, dass es noch wachsen wird“, sagt der 36-Jährige, auch wenn das Modular-Festival in diesem Jahr auf der Kippe stand. Die Chancen auf Wachstum stehen gut, auch wenn das Gespenst der Kürzungen von Fördermaßnahmen herumschleicht. Apropos gute Chancen: Schlichter ist zwischenzeitlich auch Sprecher der Popularmusikbeauftragten der bayerischen Bezirke, was ihm und seinen Anliegen noch einmal Gewicht verleiht und eine weitere Zunahme von Vernetzungen bringt, die so wichtig sind in diesem Business.

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in der top schwaben Ausgabe Nr. 88